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Guter Unterricht für lau

http://www.flickr.com/photos/perkinsy/6331146378/

Bildquelle. Mein Job als Schulleitungsmitglied (Zweigleiter) und Lehrer macht mir viel Spaß. Ich gehe gerne in die Schule und liebe es zu unterrichten. Und für’s Protokoll: Ich bereite meinen Unterricht vor, auch wenn ich meine Fehler im Unterricht zugebe. So sehr ich meinem Ideal von gutem Unterricht auch anstrebe, so schwierig ist es im Alltag:

Da ich mich meist nachmittags um Schulleitungsaufgaben kümmere (und nicht durchs Bloggen wie gerade jetzt ablenke), bleibt mir nur wenig Zeit meinen Unterricht vorzubereiten. Ich stelle mich in den Reigen aller Kollegen, die zu Recht sich darüber beschweren, dass viele Verpflichtungen in Schule zu viel Zeit einnehmen.

Gut, ich kann weiter jammern oder mir ein paar Dinge überlegen, die bei geringem Zeitkontingent (also hoher Effizienz) ein Maximum an Effektivität für „guten Unterricht“ bewirken. Oder anders gefragt: welche Instrumente bzw. Faktoren sind dafür ausschlaggebend, dass Unterricht im Sinne von „Kriterien für guten Unterricht“ nachhaltig verläuft, zufriedene Schüler, Eltern und Lehrkräfte „erzeugt“?

Was beeinflusst Unterricht, das nicht in eine 2-stündige Vorbereitung für eine Unterrichtsstunde mündet? Gibt es Dinge, dich nichts oder nur sehr wenig Zeit kosten? Ich möchte alle Tätigkeiten zwischen 0 und unter 5 Minuten dort einordnen. Solche Dinge definiere ich mal: „geschenkt“, bekomme ich für lau.

Hier ist meine (unvollständige) Hitliste für „guten Unterricht für lau“:

  • Gute Laune. Ist schwierig, aber sehr effektiv. Heute habe ich den Unterschied deutlich gemerkt. In einer Lerngruppe hatte ich schlechte Laune, ich habe mich über das Zuspätkommen einiger Schüler geärgert. In der anderen Lerngruppe danach hatte ich gute Laune. Da war „Flow“, da lief der Unterricht, er machte sichtlich den Schülern und mir Spaß. Irgendwie habe ich mich zwischendurch „resettet“. Dies ist schwierig, geht auch nicht immer, lohnt sich aber. Die einfache Frage: „Warum ärgere ich mich denn jetzt?“ bzw. die bewußte Entscheidung locker zu bleiben, sich eben nicht zu ärgern kann zum Reset helfen. Wie gesagt, kann.
  • Begeisterung. Ist mit der guten Laune verwandt. Es sind Ich-Botschaften des Lehrers, der Begeisterung für das eigene Fach zeigt. Man muss nur mal einen Satz anfangen mit „An Mathe begeistert mich …“ oder „Richtig spannend finde ich …“.
  • Unerwartetes. Auch nicht leicht, aber immer sehr spannend: Es bedarf eine Portion Kreativität, einige wenige Minuten der Überlegung, aber ich überrasche meine Schüler gerne. Das meine ich jetzt nicht sehr dramatisch. Auch wenn Rituale richtig und wichtig sind, gibt es immer wieder Elemente, die Schüler überraschen, in der es wichtig ist nicht völlig vorhersehbar zu sein. Ein Beispiel? Ich rufe zu irgendeinem Wettbewerb zum Anfang des Unterrichts auf. Die beste Frage im Unterricht wird von mir gesucht und am Ende gewürdigt. Und wie geschieht das? Die Frage wird vor den Augen der Schüler getwittert. (O. k, hab‘ ich noch nicht ausprobiert, werde ich aber.)
  • Handlungsorientierung. Dies muss sehr häufig nicht vorbereitet werden. Werden gerade viele Aspekte oder Fachbegriffe von mir besprochen und die Schüler stöhnen, nehme ich das Tempo etwas raus und fordere sie auf zu den Wust an Begriffen eine Mindmap zu erstellen. Die besten werden durch meine Webcam bzw. der vorhandenen Dokumentenkamera den anderen vorgestellt und gewürdigt. Ein schönes Beispiel, mit Mindmap-Einsatz dazu hat Frl. Rot in ihrem Blog gegeben (Nebenbei mein erklärtes aktuelles Lieblings-Blog!)
    Sind wir in Physik am Experimentieren, gebe ich Raum zu „Varianten“. Spielen ist erlaubt, die Schüler dürfen mit dem Versuchsmaterial sich weitere Versuche ausdenken und durchführen. Am Ende wird auch eine schöne Variante den anderen präsentiert. In Mathe können sich Schüler paarweise eigene Aufgaben ausdenken und gegenseitig stellen. Wichtig ist der Raum zum eigenen Handeln.
  • Klarheit und roter Faden. Recht banal, aber es bereitet die Lerngruppe auf den Unterricht vor und klärt Erwartungen. Ich erzähle am Anfang der Stunde kurz den Schülern, was von mir geplant ist, was eingeführt und was geübt werden muss. Auch zeitliche Vorstellungen werden dabei gegeben. Geschickterweise lasse ich offen, ob wir die letzte Phase diese Stunde schaffen oder nicht. Dadurch bleibt die Stunde flexibel. Leider bin ich nicht immer konsequent, aber eine kleine (spontane) Checkliste von Stichworten an der Tafelseite ist dabei hilfreich. Bei jeder Phase kann dann ein Punkt abgehakt werden.
  • Anschaulichkeit. Ganz vieles wird durch Worte oder Texte erarbeitet. Die Suche nach einem Foto oder einer Grafik kostet meist nur eine Minute. Ein Bild zum Thema fokussiert das Denken und fördert die Erarbeitung. Rede ich zum Beispiel davon, dass Elektronen in metallischen Leitern recht langsam fließen, zeige ich ein Foto eines Fahrzeug-Staus. Selbst wenn unerwartete Fragen im Unterricht auftauchen gibt eine moderne IT-Ausstattung in der Schule die Möglichkeit vieles spontan durch Bilder oder Videos zu veranschaulichen. Letzteres ishttp://www.flickr.com/photos/riverdaleto/420615009/t sicher nicht immer möglich.

So weit ein paar „Zutaten“ für den guten Unterricht. Was mir selbst auffällt ist, dass die meisten Impulse oder Ideen nicht die klassische Intelligenz (IQ) von der Lehrkraft fordern (nun, ein wenig schon, zum Beispiel die Klarheit). Die meisten Zutaten für lau sind Dinge, die auf eine hohe Emotionale Intelligenz (EQ) und Kreative Intelligenz (CQ) beruhen. Diese Begriffe gebrauche ich nach Gunter Duecks Buch „Professionelle Intelligenz“. Eine kleine Auflistung dieser Intelligenzen gab ich in einem Artikel von Monika König. Aber gerade diese Aspekte machen für mich guten Unterricht aus.

  1. Ich mag die kleine spontane Checkliste zum Abhaken. Das macht Laune. Aus den Schülern werden dann mal To-Do Lister..;)

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    11. November 2011
  2. Bevor ich mich aufrege, frage ich mich immer zunächst ob es noch in einem Jahr zur gleichen Zeit noch wichtig ist. Also kann ich das meiste schnell abhaken… Heute freue ich mich über Schüler die kreativ sind und beim Singen den richtigen Ton treffen.
    Schöne Grüße aus dem Emsland.

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    11. November 2011
  3. Martin Kurz #

    Vielen lieben Dank, Irma und Alois. Und dein Tipp, also deine Frage an einem selbst ist Gold wert. Danke.

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    12. November 2011
  4. Martin Kurz #

    Kommentare und Diskussion zu diesem Artikel bei Google+:
    https://plus.google.com/u/0/103158980383343413230/posts/PPqMsZc6TPE

    (Danke, Matthias Heil für den Hinweis 🙂 )

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    12. November 2011
  5. Klaus Meschede #

    auch immer gut: Aktuelles mit Aufmerksamkeitswert einbeziehen, Topnachrichten aus dem Autoradio auf dem Weg zur Schule, Witziges, Nachdenkliches, Merkwürdiges, je nach Unterricht, TV vom letzten Tag, Fb-Posts von Schülern, etc.

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    12. November 2011
  6. Martin Kurz #

    Lieber Klaus,
    sehr gut, lieben Dank, mehr von diesen Ideen, die sind super …

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    12. November 2011
  7. Danke für den schönen Beitrag!

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    12. November 2011
  8. Darf Unterricht Spaß machen ;-)? Ich sage ganz klar: JA! In Abwandelung eines Zitates aus dem Motivationsbereich gilt auch für den Lehrer: Unterrichte begeistert und gewinne! (… z.B. das Interesse deiner Schüler) Mein Studienseminarleiter hat damals den Satz geprägt: „Der Lehrerberuf ist eine Berufung!“ Diese Worte sollte man sich regelmäßig in Erinnerung rufen! Danke an Martin für seine motivierenden Beiträge!

    Beste Grüße!

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    13. November 2011
  9. besonders beim ersten Punkt stimme ich voll und ganz zu!

    Dazu mag es unter Umständen hilfreich sein, nicht bis morgens um 2 den Unterricht vorzubereiten, sondern schon am Abend vorher um 22:00 Uhr den Rechner abzuschalten. Was dann nicht vorbereitet ist, wird es auch nicht mehr. Dann habe ich vielleicht nicht den idealen Cartoon zum einstieg, sondern nur den Zweitbesten, mein Tafelbild könnte evtl. noch besser strukturiert sein usw. usf. Doch Spontaneität und gute Laune können darüber hinweghelfen.

    Voraussetzung ist natürlich das der Unterricht grundsätzlich vorbereitet ist und mir wenigstens selbst der (ebenfalls genannte) rote Faden für die Stunden klar ist …

    Grüße

    Tobias

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    15. November 2011
  10. Lieben Dank für diesen Beitrag, Martin! Ich finde übrigens – wie IrmaLAdouce – die Checkliste zum Abhaken ist ein kleines, feines Werkzeug. Das macht Fortschritte so schön greifbar und wirkt als feedback-System auf alle Beteiligten schwer motivierend.

    Noch eine kleine Anmerkung: Ich wollte mir deine kleine Auflistung der Intelligenzen in Monika Königs Artikel anschauen und stellet fest, dass die Lernspielwiese umgezogen und (zumindest für mich) momentan nicht erreichbar ist. Alte Artikel sollen aber auch an neuer Stelle zu finden sein, dann kannst du neu verlinken.

    Herzliche Grüße aus Berlin und dir eine effektive, kreative Zeit !
    Bianka

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    22. Juni 2019

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